Employer Branding, Empowerment, Employee-Experience — Moderner Hokuspokus oder Zauberformeln für erfolgreiche Mitarbeiterführung?

Was gute Führungskräfte ausmacht

Auf dem Weg zur agilen, erfolgreichen Organisation kann die Unternehmenskultur das größte Hindernis und gleichzeitig der größte Stellhebel sein. Eine Unternehmenskultur, die Agilität fördert, unterscheidet sich in vielen Bereichen deutlich von herkömmlichen Modellen. Die teils dramatischen Veränderungen in der Gesellschaft, auf den Märkten, rund um den Globus fordern ein Umdenken bei Arbeits- und Denkweisen, sagt Unternehmens-Coach Ilario Deana. Deana hat sich mit seiner Consulting-Firma auf Unternehmensentwicklung, Effizienzsteigerung, Führungs– und Verkaufstraining spezialisiert und unterstützt Unternehmen auf ihrem Weg in eine nachhaltige und effiziente Zukunft. Hier verrät der Experte, was er von den neuen Methoden der Mitarbeiterführung hält.

 

Herr Deana, Sie sagen, ein modernes Unternehmen braucht ein „Employer Branding“. Was ist das?

Der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen, zu überlegen, wie sie ihre Arbeitgebermarke stärken und was sich Mitarbeiter von ihrem Arbeitsplatz wünschen. Alles, was ein Unternehmen zu einem attraktiven Arbeitgeber macht und von Wettbewerbern auf dem Arbeitsmarkt positiv abzuheben hilft, lockt und bindet Arbeitskräfte. Zum Beispiel eine vernünftige Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten und -orte, ausreichend Urlaub, Angebote für Gesundheit und Wellbeing, nachhaltige Prozesse, kurz: eine vorbildliche Unternehmenskultur.

 

Ist das nicht moderner Schnickschnack? Warum kann nicht alles bleiben, wie es ist?

Die Welt ist voller Veränderungen. Die Gesellschaft wandelt sich. Dem kann sich kein Unternehmen verschliessen.  Um einen Haltungswandel kommt kein Unternehmen herum, wenn es gute Fachkräfte anwerben und am Markt mit innovativen Lösungen bestehen möchte. Dazu gehört es eben, Mitarbeitern einen sinnstiftenden Arbeitsplatz zu bieten und ihnen gleichzeitig so viel Zeit für das Leben übrig zu lassen wie möglich.

 

Wie motiviere ich Mitarbeiter zu guten Leistungen?

Wenn die Arbeit erfüllend ist und dem Mitarbeiter signalisiert wird, dass man ihm vertraut und sein Beitrag Bedeutung für die Organisation hat, ist gute Leistung quasi ein Selbstläufer. Beste Resultate liefern Arbeitskräfte, wenn das Arbeiten auf Augenhöhe, mit Transparenz und Feedback geschieht. Dazu müssen Informationen, Firmenziele, Daten und Arbeitsergebnisse allen Beteiligten zugänglich gemacht werden. Dann kann jeder im Unternehmen strategisch und taktisch mitdenken und gegebenenfalls Verbesserungen identifizieren sowie neue Lösungen anvisieren.

 

Fortschrittliche Unternehmen setzen auf „Empowerment“? Was darf man sich darunter vorstellen?

Durch Empowerment wird Verantwortung vom Vorgesetzten auf den einzelnen Mitarbeiter übertragen. Dabei steigt die Mitarbeiterzufriedenheit zusehends. Das ist eine smarte Massnahme, denn der beste Experte für einen Job ist doch der Mitarbeiter, der ihn Tag für Tag erledigt. Gewährt man ihm genug Handlungsspielraum, wird er seine Arbeit gewissenhaft, bestmöglich und kreativ auszuführen. Dazu gehört auch die Selbstbestimmung über das Wie, Wo und Wann des Arbeitens und die weitgehende Selbstverwaltung von Teams.

 

Das funktioniert?

In einer transparenten Organisation ist Selbststeuerung sehr gut möglich und der Schlüssel zum Erfolg. Die Unternehmensstrategie und -ziele sind klar kommuniziert und verstanden; jeder weiss, wie er am besten zum Fortschritt des Unternehmens beitragen kann. Dabei priorisiert und modifiziert jeder eigenständig, entwickelt und verfolgt eigene Ideen und Initiativen. Eine gute Fehlerkultur lässt darüber hinaus Experimente ohne Druck zu. Denn genauso wie der Erfolg wird auch der Misserfolg offen kommuniziert und analysiert. Fehlschläge führen dann zu erfolgversprechenden Anpassungen oder Richtungswechsel einzuleiten.

 

Sie plädieren also für eine lange Leine für die Mitarbeiter?

Selbstverständlich! Ein ideales Umfeld ermöglicht ein Unternehmertum im Unternehmen. Es erlaubt jedem, nicht nur eigene Projekte zu entwickeln, sondern auch, sie in End-to-End Verantwortung zu verwirklichen. Der Mitarbeiter ist für sein Tun voll verantwortlich, dadurch dem Erfolg verpflichtet und nach Umsetzung eines Projektes stolz und zufrieden. So werden committete Mitarbeiter gemacht, die wertvolle Teile eines Teams sind und ihre Erfahrung und Kompetenz gerne für das grosse Ganze einsetzen und teilen. Auf diese Weise kommen verschiedene Perspektiven zusammen, kann Wissen neu kombiniert werden, können innovative Lösungen entstehen.

 

Und jeder tut das, was er am besten kann

Genau. Um das Potenzial aller optimal auszuschöpfen, braucht es die Möglichkeit, sich gemäss seiner Stärken und Interessen einbringen zu können. Das ist besonders wichtig, wenn es um die Realisierung neuer Projekte geht. Hier wird jede gute Idee gebraucht.

 

… und wo er will

Zumindest, wo er am meisten gebraucht wird. Bei Innovationen spielt Schnelligkeit meist eine entscheidende Rolle. Das setzt Flexibilität von Menschen und Strukturen voraus. Unabhängig von einer Rolle oder dem Team sollten sich Arbeitskräfte für optimale Ergebnisse in losen Organisationen und Netzwerken situativ zusammenfinden können. So kann Kreativität und Kompetenz schnell und effektiv gebündelt werden.

 

Warum hat selbst der erfahrenste Mitarbeiter nie ausgelernt?

Sich rasch verändernde Märkte und Anforderungen erfordern ein hohes Mass an Anpassungsfähigkeit. Deshalb muss ein Unternehmen eine Kultur fördern, die Neugier und stetiges Lernen zulassen. Teams müssen Arbeit nicht nur abliefern, sondern sie auch reflektieren, offen über Fehler sprechen und daraus gemeinsam lernen und neue Chancen eröffnen. Eine erfolgreiche Organisation reflektiert, experimentiert, modifiziert, korrigiert, ist in der Lage, sich stets neu auszurichten und bereit, sich permanent weiterzuentwickeln.

 

Wie kann ein Team zusammenwachsen?

Das sind dem Unternehmen keine Grenzen gesetzt. Manche bieten gemeinsame Fitnesskurse oder Yoga zur Entspannung während der Arbeitszeit, andere ein Mittagessen zum Wochenabschluss. Empfehlenswert ist auch ein gemeinsamer Teams-Kanal, in dem jeder Mitarbeiter Ideen, Geistesblitze, aber auch Störfaktoren mitteilen kann. Einmal pro Woche sollte dann über alle positiven und negativen Punkte gesprochen werden, vielleicht sogar mit einem Coach an der Seite.

 

Braucht es beim agilen Arbeiten überhaupt noch einen Chef?

Nicht einen Chef vom alten Schlag, der genau vorgibt wie oder wann gearbeitet wird und das Personal mit engmaschigen Kontrollen einengt. Aber auf jeden Fall eine Führungsfigur, die Unternehmensziele formuliert, den Überblick bewahrt, die Fäden locker zusammenhält und darauf achtet, dass Projekte mit den geforderten Ergebnissen zum festgelegten Zeitpunkt fertiggestellt werden. Ein guter Chef achtet ausserdem darauf, dass es seinen Mitarbeitern gut geht. Arbeitsergebnisse werden nicht besser, weil Mitarbeiter von frühmorgens bis spätabends im Büro sitzen. Dagegen sind solche Unternehmen erfolgreich, deren Personal zufrieden ist sowie seinen Fähigkeiten und Interessen entsprechend eingesetzt ist.

 

Sie stellen den Menschen in den Fokus. Was bringt das dem Unternehmen?

Bei der Transformation zur agilen Organisation rückt der einzelne Mitarbeiter in den Mittelpunkt. Einfach gesagt: die Arbeit muss um den Menschen herum organisiert werden, nicht umgekehrt. Als soziale Wesen möchten wir informiert sein, miteinbezogen werden, mitdenken dürfen, entscheiden können. Wir möchten beim Arbeiten unser Potenzial entfalten, uns unseren Interessen gemäss entwickeln und sogar Spass haben. Wer sich als wichtigen Teil eines grösseren Ganzen empfindet und mit seinem Können zum Erfolg eines Teams beitragen kann, geht gerne zur Arbeit und committed sich voll und ganz dem Unternehmen.

 

Was sind Ihrer Erfahrung nach die Hauptgründe für eine Kündigung?

Neben Überlastung sind es hauptsächlich mangelnde Wertschätzung, fehlende Flexibilität und die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade während der Pandemie haben viele Arbeitnehmer ihre Karriere und ihre berufliche wie private Situation überdacht. Nicht wenige wollen nun andere Prioritäten setzen. Und die jungen Generationen stellen sowieso schon progressive Ansprüche an ihren Arbeitsplatz. Nur Unternehmen, die diesen Wertewandel ernst nehmen, können fähige Mitarbeitende langfristig halten und den Unternehmenserfolg sichern.

 

Kann ich nicht einfach mehr Geld bieten?

Das freut mit Sicherheit jeden Arbeitnehmer, wird ihn aber im Zweifel nicht halten. Gerade für die Jungen ist nämlich ein gutes Arbeitsklima mit Flexibilität, Wertschätzung und Identifizierung mit dem Unternehmen wichtiger als finanzielle Sicherheit.

 

Was setzen kluge Unternehmensführer gegen Arbeitskräftemangel?

Unternehmen brauchen gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter. Es werden vermehrt die Arbeitgeber im Vorteil sein, die sich um ihre Angestellten kümmern. Indem sie zum Beispiel flexible Arbeitszeiten und – orte anbieten oder in die mentale und physische Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren. Zur Mitarbeiter-Bindung können Anreize wie die Zuzahlung zu Wellness- oder Fitnessangeboten, ein 6-Stunden-Tag, mehr Homeoffice-Möglichkeiten, Weiterbildungsmöglichkeiten, Aufstiegschancen oder Events für Teams und Mitarbeiter dienen.

 

Was macht die HR-Abteilung erfolgreicher Unternehmen anders?

Sie investiert in eine positive Employee-Experience zur Mitarbeitermotivation und – bindung, die alle Erfahrungen, die ein Arbeitnehmer von der ersten Kontaktaufnahme über seine Anstellung und Weiterentwicklung bis hin zum Austritt aus der Firma macht, umfasst. Ziel ist es, eine New-Work-Kultur zu etablieren, die den Wünschen und Anforderungen von Arbeitskräften entspricht.

 

Wie kann die HR-Abteilung Investitionen in solche weichen Faktoren rechtfertigen?

Investitionen in die Mitarbeiterzufriedenheit lohnen immer. Hier steckt ein riesiges und bislang oft ungenutztes Potential. Das beweisen Kennzahlen erfolgreicher Unternehmen, die soziale Aspekte und das Betriebsklima überdurchschnittlich fördern.

 

Wie können Sie mit Ihrem Unternehmen deana & partner helfen?

Wir identifizieren kulturelle Eigenschaften, die erfolgsrelevant oder erfolgsverhindernd für das Unternehmen sind. In vielen Betrieben geht es um nicht viel weniger als um die Veränderung des Mindsets für eine neue, zukunftsgerichtete Unternehmenskultur.